Analyse von Alvarez & Marsal zeigt:
Historischer Tiefststand an Unternehmensinsolvenzen täuscht über die tatsächliche finanzielle Situation deutscher Unternehmen hinweg
-Anteil der von A&M untersuchten Unternehmen in bedenklicher wirtschaftlicher Lage steigt in Deutschland von 2019 auf 2020 um 26%
-Staatliche Hilfsmaßnahmen und verfügbare Investorengelder haben viele strukturelle Probleme nicht gelöst, sondern nur aufgeschoben und die Gefahr von Zombie-Unternehmen erhöht.
-25% der analysierten Unternehmen in Deutschland sind in finanziell instabiler Lage bei gleichzeitig schwacher wirtschaftlicher Performance.
Das weltweit führende Beratungsunternehmen Alvarez & Marsal (A&M) hat die Auswirkungen der Pandemie auf die finanzielle Stabilität ausgewählter europäischer Unternehmen in einer Benchmark-Analyse untersucht. Obwohl in Deutschland die Anzahl der Insolvenzen auf einem historischen Tiefstand ist, bereitet die wirtschaftliche Lage vieler Unternehmen Anlass zur Sorge. Im Vergleich zu 2019 stieg die Anzahl an Unternehmen, deren Situation als bedenklich eingestuft werden muss, im Jahr 2020 um 26 Prozent. Für die Zukunft gilt daher, dass bei vielen Unternehmen unmittelbarer Handlungsbedarf herrscht, teilweise sogar akute Insolvenzgefahr.
Viele Unternehmen wackeln – Der Tiefstand an Insolvenzen trügt
Insgesamt hat A&M in seiner Studie 4.123 Unternehmen verschiedener Branchen mit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz aus 13 europäischen Ländern analysiert, darunter 749 deutsche Unternehmen. Anhand von verschiedenen Finanzkennzahlen aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung hat A&M Benchmark-Werte für die finanzielle Stabilität sowie wirtschaftliche Performance ermittelt und die Veränderung zwischen 2019 und 2020 untersucht. Die Einteilung der Unternehmen in Quadranten macht sichtbar, wie sehr sich das Bild verändert hat: Die Zahl der Unternehmen mit geringer finanzieller Stabilität und gesunkener Rentabilität ist deutlich gestiegen. Zudem sind die Unterschiede im Abschneiden der untersuchten Unternehmen insgesamt größer geworden.
Dass die Anzahl der Insolvenzen für 2020 einen historischen Tiefstand erreicht hat, bei gleichzeitig um 4,9 Prozent gesunkenem BIP, ist dabei ein Paradoxon. Diese Entwicklung lässt sich jedoch durch die staatlichen Hilfsmaßnahmen, das Aussetzen der Insolvenzantragspflicht sowie die zu vergleichsweise günstigen Konditionen im Übermaß verfügbaren Investorengelder erklären. Diese Situation erhöht die Gefahr einer gewissen Verzerrung des Marktes und begünstigt die Entstehung von Zombie-Unternehmen.
Die Pandemie hat in den Geschäftszahlen der deutschen Unternehmen sichtbare Spuren hinterlassen, wobei auch hier die staatlichen Hilfsmaßnahmen zu einer Verzerrung führen. Der Anteil der wirtschaftlich stabilen Unternehmen (2. Quadrant) ist von 41 Prozent auf 37 Prozent gesunken (vgl. Abbildung). Gleichzeitig sind 2020 bereits 25 Prozent der analysierten Unternehmen im Quadranten mit geringer finanzieller Stabilität (Bilanz) und geringer wirtschaftlicher Performance einzuordnen (Ertrag, Rentabilität). 2019 waren es lediglich 20 Prozent.
Im europäischen Vergleich ist Deutschland dabei noch in geringerem Ausmaß als andere Länder betroffen, da die Auswirkungen in Sektoren wie Automobilindustrie, Maschinenbau und Chemie weniger stark waren. Länder, die in höherem Maß von beispielsweise Tourismus oder Mode abhängig sind, sehen eine noch größere Zunahme an Unternehmen mit instabiler Finanzlage.
Die Zahl der Insolvenzen wird steigen
Für die nächsten Monate ist davon auszugehen, dass – ohne eine Verlängerung der staatlichen Maßnahmen – die Zahl der erforderlichen Transformationen, der operativen Restrukturierungen und auch die Zahl der Insolvenzen steigen werden.
„Management und Eigentümer sind gut beraten, das Zeitfenster, das sich derzeit durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen und verfügbare Anlagegelder bietet, zu nutzen und den Wegfall bzw. die Rückführung von Hilfen in ihrer Planung zu berücksichtigen“, sagt Joachim Lubsczyk, Managing Director bei A&M. „Entsprechende Maßnahmen, um die eigene Leistungsfähigkeit wiederzuerlangen, bzw. zu stabilisieren, sollten nicht zu lange aufgeschoben werden. Der finanzielle Spielraum und die aktuell größere Toleranz der Stakeholder für die Einleitung von Transformationsmaßnahmen bedeuten eine günstige Gelegenheit.“
Mit dem Auslaufen der Hilfsprogramme und dem Beginn der Rückzahlungsverpflichtung der in Anspruch genommen Hilfen wird sich der Druck auf die Unternehmen weiter erhöhen. Durch den zusätzlichen Kapitalbedarf im Zusammenhang mit dem Hochfahren der Produktion bei gleichzeitiger Volatilität der Absatzmärkte wird der Bedarf an zusätzlichen Finanzmitteln vielfach weiter steigen.
„Die Gesamtkomplexität der anstehenden Restrukturierungen dürfte insgesamt steigen. Oftmals werden bei diesen Umbauprogrammen mehr Parteien als bislang üblich beteiligt sein und damit eine konsensuale Lösungsfindung erschweren. Zusätzlich haben die Volatilität der Einflussfaktoren sowie der Grad an Ungewissheit vor allem mit Blick auf Absatzzahlen, Lieferketten sowie Energie- und Rohstoffpreise zugenommen, sagt Johann Stohner, Managing Director und Head of Restructuring Germany bei A&M. „Radikale Strukturveränderungen, starke Unsicherheit und hohe Volatilität werden in den nächsten Jahren zu ständigen Begleitern. Die proaktive und professionelle Steuerung von Transformationen wird damit zur Daueraufgabe von Unternehmen und Investoren.“
Unternehmen, Investoren und öffentliche Institutionen auf der ganzen Welt wenden sich an Alvarez & Marsal (A&M), wenn es um Leadership, Umsetzung und messbare Ergebnisse geht. A&M ist seit seiner Gründung 1983 in Privatbesitz und ein weltweit führendes Beratungsunternehmen, das sich auf Business Consulting, Verbesserung der Unternehmensleistung, Due Diligence und Turnaround-Management konzentriert. Unsere Kunden profitieren von unserem fundierten Fachwissen und Erfahrungsschatz, wenn herkömmliche Ansätze nicht mehr ausreichen, um Veränderungen herbeizuführen. Mit über 5.500 Mitarbeitern auf vier Kontinenten liefern wir konkrete Resultate für Unternehmen, Aufsichtsräte, Gläubiger, Private-Equity-Firmen, Anwaltskanzleien und Regierungsbehörden, die vor komplexen Herausforderungen stehen. Mit unserer langjährigen und umfangreichen Erfahrung in der Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen treffen wir gemeinsam mit unseren Kunden schwierige Entscheidungen, generieren Wachstum und erzielen handfeste Ergebnisse.
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